Freitag, 19. Dezember 2014

Osten

Sie kommt nicht mehr nach Hause, Maria Rubinstein sitzt fest. Die Schriftstellerreise, die sie aus Neugierde betrat, wurde zum Albtraum, als sie einfach nicht mehr vom Hotel abgeholt wird. Nun ist ihre Aufenthaltsbewilligung abgelaufen und sie sitzt illegal fest. Bereut sie nun, dass sie anstelle von Leo Richter in dieser Reise eingesprungen ist? 
Obwohl mich diese Geschichte nicht besonders angesprochen, ja sogar ein wenig irritiert hat, habe ich nun eine Vorstellung davon, warum Leo so eine negative Einstellung gegenüber dieser Reise hatte und sie dann auch absagte. Wenn es ihm an den vergangen Schriftstellerreisen so ergangen ist wie nun Maria, dann erklärt dies beispielsweise seine Angst davor das Flugzeug zu verpassen (Kehlmann, 2009, S.27, Zeilen 15-30). 
Zurück zur eigentlichen Situation: „Sie war neugierig gewesen auf einen fernen Teil des Planeten und so hatte sie kurz entschlossen ja gesagt“, (Kehlmann, 2009, S.96). Diese spontane Entscheidung bereute Maria schnell wieder. Erst als sie sieht, dass alles gar nicht so schön ist wie versprochen, merkt sie, wie gut sie es zu Hause hat. Da hat sie ihre Neugierde in die Falle gelockt. Und wo Neugierde geschrieben ist, steht auch das Wort Gier drin. Hat sie zu viel erwartet? 
Der Typ, der Maria vom Flughafen abholt, fragt sich nach meinen Spekulationen warum Maria hierhin gekommen ist, als ob es nicht Wert wäre hier zu sein. Er redet mit zusammengewürfelten englischen Wörtern auf sie ein, womit sie nichts anfangen kann. Überhaupt keinen Sinn machen seine Aussagen auch für mich. Doch was wenn der Audruck „hobble“ horrible bedeuten würde? Wollte er sie warnen? Er kann bestimmt nicht verstehen, warum sie nach Usbekistan –oder wo auch immer wir uns befinden, das Land wird seltsamerweise nie erwähnt- kommt, wenn sie genauso im schönen Deutschland sein könnte. 
„Diese vorzügliche Delegation der besten Reisejournalisten der Welt sei nun also von der Regierung des Vaterlandes eingeladen worden, um allen Nationen von dessen Schönheit zu berichten. An nichts werde es ihnen fehlen, jeder Wunsch werde erfüllt“, (Kehlmann, 2009, S. 99). Wieso wird hier so propagiert? Ihre Reisegruppe bestand weder aus den besten Reisejournalisten der Welt, noch wurde ihnen die Schönheit des bereisten Landes gezeigt, noch konnte man diese Reise wunschlos geniessen. In Wahrheit bestand die Reisegruppe aus unerfahrenen Leuten, die jegliche Reisejournalisten ersetzten-anscheinend haben alle abgesagt, aus Erfahrung?-, gezeigt wurden ihnen unter anderem eine Fabrik mit leeren Fliessbändern und der Reisealltag war eintönig- es gab zu jeder Mahlzeit Schweinebraten mit Mayonnaise. Möglicherweise befinden wir uns in einem extrem kommunistischen Land, was erklären würde, warum das Buchcover von Marias Krimi nach den Vorstellungen eines russischen Verlages abgeändert wurden- anscheinend erschien ihnen das Original nicht angemessen-, die Fliessbänder wären leer, weil nur wenige verschiedene Produkte produziert werden dürften, und es gäbe aus demselben Grund auch immer Schweinebraten mit Mayonnaise. Naja, ich hoffe das ist nicht zu weit hergeholt. Jedenfalls finde ich, dass die Reisegruppe als besondere Gäste nicht sonderlich angemessen behandelt wurden. 
Maria ist eine Krimi- Autorin, worin ich eine höhere Stellung sehe. In ihrer Situation hat ihr das Berühmtsein aber nichts genutzt. Man hat sie nicht erkannt und in der nächsten Buchhandlung, wo ihr Buch verkauft wurde, stellte sich heraus, dass das Buchcover geändert worden und das Foto des Autors ist nicht mehr in ihrem Buch vorhanden war. So war es schwierig, sich Hilfe zu holen. Das Kommunikationsproblem bestand aber schon darin, dass in diesem östlichen Land- Usbekistan oder Turkmenistan- niemand fliessend Englisch sprechen konnte, geschweige denn von Französisch, Deutsch oder Altgriechisch. Mir ist bewusst, dass das Funknetz schlecht war und Maria nur einen Akku dabeihatte, die Polizei vor Ort stur die Landesregeln befolgen und allgemein die Kommunikation auf Grund der schlechten Möglichkeiten nicht sicher ist. Trotzdem fragt es mich, warum Maria noch nicht gesucht worden ist. Wurde sie nur geliebt wegen des Ruhms zu Hause und jetzt ist es jedem egal?

6 Kommentare:

  1. Liebe Alyssia

    Mir scheint es, als ob du Gefallen an "Ruhm" gefunden hättest. Du beschreibst in deinem ersten Post, dass du nach dem Klappentext neugierig wurdest. Haben sich deine Erwartungen bestätigt oder wurdest du eher enttäuscht? Welche Kurzgeschichte hat dir denn bis jetzt am besten gefallen?

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    1. Liebe Alisha

      Tatsächlich hat meine Neugier an den Zusammenhängen zwischen den einzelnen Geschichten angehalten. Nach einzelnen Geschichten waren meine Gedanken blank, bei anderen dagegen wusste ich gar nicht, wo ich beginnen soll. Dann brauchte ich eine Weile, alles zu sortieren, damit mindestens ein "hellroter" Faden ersichtlich ist. "Der Ausweg" hat mir bisher am besten gefallen. Das, wegen dem klaren Einstieg ins neue Kapitel, wo sofort erkennbar ist, dass hier die Folgen vom ersten Kapitel beschrieben werden.

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  2. Liebe Alyssia

    Deine Überlegungen zu diesem Kapitel finde ich sehr interessant. Die einzelnen Zitate in den Textabschnitten wirken ausserdem sehr gut. Auch für mich war dieses Kapitel nicht leicht zu verstehen. Durch mündliche Besprechung konnten wir einiges diskutieren, doch auch dadurch hat sich für mich nicht alles geklärt. Wie ich deinem Beitrag entnehme "schwebst" du auch noch in einer gewissen Unklarheit oder sehe ich dies falsch?
    Trotzdem fand ich die Geschichte im Gegensatz zu dir sehr interessant, denn es war für mich einmal eine etwas andere Geschichte. Eben nicht gerade so, wie man sich eine "normale" Handlung vorstellt. Zudem sind diese Menschen auf Reisen und entdecken neue Dinge, die für uns möglicherweise eher abstossend wirken und wir uns nicht daran gewöhnt sind. Wie du erwähnt hast könnte es sich in einem kommunistischen Land abspielen (was für mich selbst nicht klar ersichtlich ist). Dies könnte auch ein Faktor sein, weshalb es für uns nicht ganz gewöhnlich ist und die Kultur und Moral an diesem Ort, im Vergleich zu uns, ganz anders ist. Wie kommst du gerade auf Usbekistan und Turkmenistan?
    Dafür bin ich genau wie du auf die Frage gestossen, ob denn niemand auf der Suche nach Maria ist. Was denkst du, wird sich jemand auf die Suche machen? Oder was denkst du, wie könnte sich diese Geschichte weiterentwickeln?

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    1. Liebe Géraldine
      Ich denke du hast mich richtig verstanden, dass mir nach diesem Kapitel noch ein paar Fragezeichen vor den Augen schweben. Ich bin mir aber sicher, dass sich diese im Verlaufe des Buches ändern wird.

      Nein, nicht alles aus meinen Beiträgen ist pure Interpretation. ;) Ich komme dementsprechend nicht zufällig auf Usbekistan und Turkmenistan. Maria Rubinstein hat -was in diesem Kapitel deutlich hervorkommt- diese Reise an Leos Stelle betreten. Auf Seite 40, Zeilen 24-28 erzählt er von dieser Schriftstellerrundreise und fügt hinzu, dass er sie absagen möchte. Weiter auf Seite 43, Zeile 23 bis Seite 44 Zeile 2 sagt er dann tatsächlich ab und schlägt Maria Rubinstein, die Krimiautorin, vor an seiner Stelle diese Reise zu machen. Sie hätte mal ihm gegenüber erwähnt, dass sie gerne mehr unternehmen würde. Voìla!

      Ob sich jemand auf die Suche nach Maria machen wird? Mmh,ich denke früher oder später wird da passieren müssen. Ich denke, dass die Geschichte gar nicht dafür gedacht ist, um zu Ende zu schreiben, zumindest solange sie in einem Roman wie diesem mit acht weiteren Geschichten verknüpft werden soll. Was ich mir aber noch nachträglich aufgefallen ist, ist die Abhängigkeit von ihrem Telefon.

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  3. Liebe Alyssia

    Ich finde deine Bemerkungen in den einzelnen Geschichten sehr interessant. Einerseits weil ich mit dir einverstanden bin, anderseits zeigst du einige Gedanken auf, die ich vorher nicht bemerkt habe. Vielleicht habe ich denen keine grosse Rolle von Bedeutung gegeben und deshalb sind diese mir entgangen.
    In dieser Geschichte ist das genauso. Bei einem Punkt sind wir uns beide einig, und zwar bei der Frage wieso niemand nach ihr suchen wollte. Ich finde das ein bisschen seltsam, da sich eigentlich die Führerin der Staatsgäste sich eigentlich um die anderen kümmern sollte.
    Ich finde, dass es in dieser Geschichte jedoch eine kleine Lücke hat, da ich nicht ganz verstehe, wieso die anderen sie plötzlich vergessen haben. Dadurch hatte sie ein grosses Problem und hatte mehr Last zu tragen denn je.
    Was hast du dir für Gedanken gemacht, als ihr anfangs niemand helfen wollte? Denn soweit ich weiss, würde man es hier ganz anders regeln. Ich persönlich finde einigen Situationen von meinem eigenem Heimatland in dieser Geschichte wieder (leider). Daher fand ich diese Geschichte auf einer gewissen Art und Weise sehr gut, da ich indirekt solche Probleme vom Ausland nur zu gut kenne.

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    1. Nun, liebe Sandra, ob es Absicht war, fragte ich mich. Doch dann wurde ich von meinen eigenen Gedanken verwirrt: Wollte man nun ihr den Ruhm wegnehmen, indem man ihre Mentalität und somit ihre Arbeitsmöglichkeiten schwächt? Oder wollte man ihr Ruhm geben, mit einem Skandal, der ganz bestimmt an die Öffentlichkeit gehen würde? Vielleicht war es auch ein Mix aus diesen beiden Möglichkeiten: Man wollte sie auf diese Weise sabotieren, was dann aber schlussendlich rauskam, war beinahe das Gegenteil. Denkst du an einer dieser Vermutungen könnte etwas dran sein? Falls du das Buch noch nicht fertig gelesen hast, tut es mir leid, wenn ich dir folgendes schon vorweg nehme: Leo bereut darauf, dass er Maria auf diese Reise geschickt hat, weil sie seit ihrem Verschwinden viel mehr Bücher verkauft und den Romner-Preis verleihen. Könnte diese Eifersucht von Leo einen Einfluss auf die Beziehung zwischen ihm und Elisabeth haben, weil sie ihn davon überzeugt hat, diese Reise nicht anzutreten? Und nun steht er im Schatten der Person, die er hätte sein können.

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