Der Schauspieler, Ralf Tanner, kriegt keine Telefonanrufe
mehr, aus beruflichen Plänen wird nichts, eine Frau beklagt sich darüber, er
hätte sie mehrmals versetzt. Das kommt mir irgendwie bekannt vor, nicht? Dann
entdeckt er einen Ralf Tanner-Imitator und gibt sich von da an auch „nur“ als
Imitator aus, um seinem Star- Leben aus dem Weg zu gehen. Sein Konkurrent kann sogar
besser imitieren, als er- das Original, was sich als Segen herausstellen wird. Und
als er ein paar Tage später nach Hause geht, wird er von seinem Butler gar
nicht mehr erkannt- Ralf sei schon zu Hause.
Ich habe mich darüber gefreut, dass hier so
klar und eindeutig der Zusammenhang zwischen dem ersten und diesem Kapitel
ersichtlich ist. Hier ist Ralf die Hauptfigur, dieselbe Person, nach der in der
ersten Geschichte am Telefon jeweils gefragt wurde. Schon klar, dass seine
Karriere bergab geht, wenn Ebling einfach irgendwelche Durchsagen macht, und
dabei so tut, als wäre er Ralf. Auch in „Gefahr“ wurde Ralf erwähnt. Er war
derjenige auf dem Plakat. Welches Plakat, meinst du? Ach, das auf dem Hochhaus.
Es bildete den Skandal in einer Hotellobby ab, wo Ralf von einer Frau angeschrien
und geohrfeigt wird -Unangenehm Sache- kannst du mir jetzt wieder folgen? Gut.
Nun, das erklärt einiges und das Bild von diesem Roman, das anfangs noch etwas
verschwommen war, beginnt langsam aber sicher klarer zu werden.
Zurück zur eigentlichen Situation: Ich kann
mir vorstellen wie unangenehm diese Situation für Ralf gewesen sein muss.
Schliesslich wissen wir, wie wenig er dafür kann. Klar möchte er aus diesem
Rummel fliehen und als er diesen Typen entdeckt, der ihn, Ralf, an grösseren
Anlässen imitiert, fällt es ihm wie Schuppen von den Augen. Er möchte sich als
Imitator von sich selbst ausgeben. Es würde nicht besonders auffallen, da er in
seinen Filmen so viel Make-up trägt, dass er mit seinem realen Aussehen nicht
zwingend als Ralf Tanner erkannt wird. Ralf möchte also vor sich selber
fliehen. Vielleicht schämt er sich für alles, was im Internet über ihn erzählt
wird.
Der Imitator Ralfs ist aber sehr stolz darauf,
ihn zu imitieren. Er sagt, er lebe sogar schon im privaten Leben als Ralf
Tanner. Da fragt es mich, wieso er so stolz darauf ist, Ralf sein zu können, wo
er ja öffentlich verspottet wird. Ich kann mir aber vorstellen, dass er so
gierig nach Ralfs Popularität ist, dass er von den schönen Seiten geblendet
wird und ihm gar nicht bewusst ist, dass es in seinem Leben auch Unschönes gibt.
Da der Imitator viel überzeugender spielt,
wird er bald mit ihm verwechselt. Und so rutscht er ins Leben des echten Ralf
Tanners. Ralf und sein Imitator haben quasi das Leben gewechselt. Zuerst ist
Ralf etwas irritiert, danach spürt man aber seine Erleichterung darüber, dass
er sein altes Leben losgeworden ist. So muss er die Probleme Ralf Tanners nicht
mehr austragen und kann gedeckt als dessen Imitator mit dem Namen Mathias
Wagner ein ruhigeres Leben führen.
Den Ausweg habe ich gefunden. Ich bin frei.
(Kehlmann, 2009, S.93).
Immer wieder wurde erwähnt, dass sein Aussehen
mit jedem Foto und mit jedem Blick in den Spiegel, dem Ralf Tanner von den früheren
Zeiten weniger zu gleichen scheint. Verliert er die Erinnerungen an sich
selber? Möglicherweise sieht sein Imitator ihm gar nicht so ähnlich, übernimmt
aber mit seinem Talent Ralfs Gesten nachzuspielen seine Stellung. Damit möchte
ich sagen, dass die Leute und auch Ralf selber, den Imitator als den neuen,
besseren Ralf ansehen und alle gewöhnen sich daran, dass er nun anders
aussieht. Matthias Wagner erkennt sich in seinem Kinotrailer nicht mehr. Wird
ihm erst jetzt, wo er Zeit für sich und zum Nachdenken hat klar, was er in
seiner ruhmreichen Zeit alles für Aufmerksamkeit gemacht hat? Oder war in
diesem Trailer bereits der neue Ralf am Werk?
Manchmal scheint es mir, als wäre ich ein anderer.
(Kehlmann, 2009, S. 93).
Ich muss sagen, Sie haben sehr sehr gut geschrieben 👍👍👍👍👍
AntwortenLöschensuper aufschlussreich!!
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