Freitag, 28. November 2014

Gefahr

Leo ist ein berühmter Schriftsteller und kommt mit der Aufmerksamkeit der Presse nicht aus. Er ärgert sich über die ständig selben Fragen, die ihm gestellt werden, darüber, dass er immer dieselbe Rede in gleich aussehenden Villen halten muss. Er wird von Elisabeth durch die Geschichte begleitet. Sie ist bei den Médecins sans frontièrs. Dementsprechend haben beide eine ganz andere Ansicht vom Leben und von Gefahr. 
Im ersten Kapitel hatten wir Ebling, der sich über Ruhm freut, der es mag, dass alles was er sagt als gut empfunden wird. Seinen Aussagen und Meinungen wird immer zugestimmt und er fühlt sich wichtig. Hier jedoch wird der Ruhm zum Verhängnis. Dieses Kapitel zeigt auch die weniger schönen Seiten und dass es nicht besonders einfach ist damit umzugehen, wenn man auch die Konsequenzen dazu tragen muss. Diese beiden Seiten des Ruhms habe ich auch in meinen Vorüberlegungen bereits beschrieben. 
„Sie sah aus dem Fenster. Vom Plakat auf dem Hochhaus gegenüber starrte sie das Gesicht Ralf Tanners an, (...) In der Lobby eines Hotels war Tanner von einer Frau angeschrien und geohrfeigt worden. Mehrere Touristen hatten es gefilmt, jetzt fand man die Szene auf YouTube. Und falls Carl, Henri und Paul erschossen würden, geköpft, gesteinigt oder lebendig verbrannt, so standen die Chancen nicht schlecht, dass man auch das würde sehen können.“ (Kehlmann, 2009, S.40). 
Ist das Ralf aus dem ersten Kapitel? Die Möglichkeit besteht. Dass er von einer Frau angeschrien und geschlagen wird, könnte die Folge eines Telefonats zwischen der Frau und Ebling sein, als er ein Date abgemacht hatte, ohne dann auch hinzugehen. Und natürlich muss Ralf dafür hinhalten, wofür er nichts kann. Durch die Sensationslust werden Kleinigkeiten vom Privatleben Berühmter gern gross verkauft. Eine Angst von Elisabeth, so etwas könnte ihren entführten Arbeitskollegen auch passieren. Die Sorgen ruhmreicher Leute liegen also ganz woanders. 
Zurück zur eigentlichen Situation: Leo ist sehr oberflächlich. Er lebt in seiner eigenen kleinen Welt. Er sucht überall nach Inspiration. Für anderes als sich selbst interessiert er sich nur, wenn es ihm beim Schreiben oder in seinem Leben weiterhelfen könnte. Man erkennt dies darin, dass er in Dialogen auf einmal abschweift und erzählt was er Aussergewöhnliches sieht, als ob er sich dabei schon Gedanken machte, wo er dies in seinen Geschichten einbauen könnte. Auch für Elisabeth interessiert er sich nur, wenn es um sein eigenes Vergnügen geht. Er beklagt sich über die Eintönigkeit in seinem Leben, ist aber zu feige aus seinem Leben auszubrechen und es kostet ihn Überwindung eine Absage zu geben. Er macht sich ein Gewissen wenn er etwas tut, was ihm nicht vorgeschrieben war. Kurz gesagt, ist er sehr unselbstständig, da ihm schon immer alles gemacht wurde. 
Einerseits ist er abhängig von diesem Leben. Er ist es gewohnt, alles organisiert zu bekommen und nur noch machen zu müssen, was man ihm sagt. Andererseits ist er auch genervt von der Eintönigkeit. Auch Elisabeth muss verarbeiten was sie erlebt und durchgemacht hat und besonders, dass ihre Arbeitskollegen entführt worden sind. Ich denke die beiden suchen in ihrer Beziehung Zuflucht vor ihren Problemen und dass sie nicht ernsthaft aneinander interessiert sind. Die gemeinsamen Nächte dienen nur zur Ablenkung. Elisabeth ist nicht begeistert von Leo. Sie haben andere Ansichten und der Egoismus von Leo macht ihr zu schaffen. Für ihn gilt seine Schriftstellerrundreise als Gefahr, da er schon immer unter einer Art Schutz stand und alles Aussergewöhnliche ihm Angst macht. Sie jedoch ärgert sich berechtigterweise darüber. Sie hat in ihrem Beruf das echte Leid und echte Gefahren auf der Welt gesehen. 
Ein Gedanke noch: „Ein Roman ohne Hauptfigur! Verstehst du? Die Komposition, die Verbindungen, der Bogen, aber kein Protagonist, kein durchgehender Held.“ (Kehlmann, 2009, S. 25). Die Beschreibung zu Beginn des Kapitels trifft auch auf diesen Roman zu. Ist Kehlmann in sein eigenes Buch verwickelt? Wird diese Vorstellung absichtlich erwähnt oder ist es reiner Zufall, dass man als Leser diese Idee als Tipp aufnehmen könnte?

Freitag, 21. November 2014

Stimmen

Ebling hat sich ein Mobiltelefon gekauft, doch die Anrufe und Nachrichten, die er darauf erhält, sind nicht alle an ihn gerichtet. Die Anrufer fragen alle nach Ralf. Doch wer ist Ralf und wieso wird behauptet, dass dies Ralfs Nummer sei? Es ist gar nicht möglich, dass zwei Personen dieselbe Nummer haben. Obwohl Ebling diesen gewissen Ralf nicht kennt, geht er mit der Zeit auf die Telefonate ein. Er übernimmt so die Rolle von Ralf und versucht dafür mehr über dessen Leben herauszufinden, um korrekt Antwort zu geben. So sollte nicht auffallen, dass er eine andere Person ist.
Ich denke, dass die Personen, die Ebling beziehungsweise Ralf anrufen, die Personen sind, die in den anderen Geschichten vorkommen werden. Der auf dem Klappentext erwähnte Schauspieler könnte die Person sein, die wegen dem Locarno Festival anruft, wobei ich annehme, dass es sich um das Filmfestival handelt.Daher könnte es sein dass, der Roman mehr Zusammenhänge hat, als erwartet. Die Markierung „ein Roman in neun Geschichten“ könnte daher weniger eine Erklärung, dafür umso mehr eine Irreführung sein. Durch diese Anschrift erwarten wir automatisch total verschiedene Geschichten. Wenn nun aber meine Vermutung darüber stimmen würde, dass diese Geschichten schon im ersten Kapitel Zugang zueinander finden, wäre das Buch wie ein ganz normaler Roman zu lesen. Im Normalfall würde man viel eher nach Verknüpfungen suchen, als wenn der Roman als neun Geschichten angepriesen wird.
Zurück zur eigentlichen Situation: Ebling erhält Anrufe, die an Ralf gerichtet sind und geht auch relativ schnell auf sie ein. War es Zufall, dass bisher niemandem aufgefallen ist, dass da eigentlich jemand anderes an der Leitung ist, als angenommen? Die Anrufer müssen sehr beschäftigt und unsensibel sein, vielleicht sogar etwas oberflächlich oder egozentrisch, um nicht auf das Geschehen aufmerksam zu werden. Wieso tut Ebling das? Könnte er nicht mit der Wahrheit dieser Situation aus dem Weg gehen? Was erwartet Ebling zu erreichen, indem er die Rolle oder sogar einen Teil von Ralfs Leben übernimmt?
Anhand von den Beschreibungen am Anfang der Geschichte, was Ebling alles an seinem Leben stört, von einem nicht so intelligenten Sohn und einer Tochter, die ihm fremd vorkommt, bis zum Bahnfahren zu Stosszeiten, nehme ich an, dass er ein ganz normaler und auch nicht besonders zufriedener Mensch ist. Die Beziehung zu seiner Frau ist abgeflaut. Ralf aber scheint ein wichtiger Mensch zu sein. Er erhält viele Anrufe, was von vielen Kontakten und Freundschaften zeugt, und auch wichtige Entscheidungen und Anweisungen darf er übernehmen, was eine hohe Stellung verrät. Auch von Frauen wird er umschwärmt und um Dates gebeten.
Ich kann mir nun gut vorstellen, dass Ebling dieses Gefühl von Beliebtheit geniesst. Er möchte diese Möglichkeit nicht lassen, sich zu rühmen und neue Menschen kennenzulernen. Auch das Interesse der Frauen schmeichelt ihm. Auch wenn er dann nicht zu den Treffen geht, mag er es, dass sich die Frau über seine Zusage freut. Kurz gesagt, mag er das Gefühl wichtig zu sein und die Möglichkeit zu haben, zu machen was er will. Die Konsequenzen muss er ja schliesslich nicht tragen.
Jedoch stellt sich die Frage, wie sich Ebling diese Situation in Zukunft vorstellt. Wie soll es weitergehen? Wie soll Ebling sich verhalten, korrekt antworten und Anweisungen erteilen können, um nicht das Leben Ralfs zu zerstören? Was passiert, wenn Ralf herauskriegt, dass Ebling sich ungeniert als ihn ausgibt? Diese fragen erscheinen mir unerklärlich, zumindest für den Moment.
Ich hoffe im nächsten Kapitel eine Verknüpfung oder eine Gemeinsamkeit zum ersten Kapitel zu erkennen. Vielleicht bleibt es aber auch nur bei einer Verbindung zum Klappentext oder dem Buchtitel. Besonders würde es mich freuen, wenn meine Behauptung, dass die Personen am Telefon in den anderen Geschichten vorkommen werden, stimmen würde.

Freitag, 14. November 2014

Vorüberlegungen

„Ein Schriftsteller mit der unheilvollen Neigung, Menschen, die ihm nahestehen, zu Literatur zu machen, ein verwirrter Internetblogger, ein Abteilungsleiter mit Doppelleben, ein berühmter Schauspieler, der lieber unbekannt wäre, eine alte Dame auf der Reise in den Tod: Ihre Wege kreuzen sich in einem Geflecht von Episoden zwischen Wirklichkeit und Schein (Kehlmann, 2009)."  
Nun, liebe Leserin, lieber Leser, diese Buchbeschreibung hat meine Neugier gepackt, deine auch?
 
Der Klappentext lässt die Geschichte noch sehr geheimnisvoll erscheinen, da noch sehr wenig preisgegeben wird. Sehr vieles steht noch offen und lässt mir im Moment noch sehr viel freien Raum, die Geschichte zusammenzureimen. Besonders gespannt bin ich darüber, wie neun Geschichten in einem Roman zusammengeflochten werden. Bestimmt ist dies sehr anspruchsvoll für den Autor, um den roten Faden durch die verschiedenen Geschichten zu ziehen und dabei mit kleinen Einblicken den Leserinnen und Lesern Interpretationsmöglichkeiten oder Verständnis zu ermöglichen. Ich kann mir vorstellen, dass das Prinzip wie bei Filmserien mit verschiedenen Episoden verläuft. Am Anfang wären alle Geschichten ganz ihre eigene und erst am Schluss gäbe es eine kleine, jedoch markierende Handlung, die alle Geschichten vereint. Vielleicht eine Situation, die alle Geschichten gemeinsam hätten, ein Ort, eine Entscheidung oder ein gemeinsames Ziel der Figuren. Und diese kleine Aufmerksamkeit könnte reichen, um es einem wie Schuppen von den Augen fallen zu lassen, wie verbunden die Geschichten eigentlich schon von Anfang an waren.
 
Ruhm hat zwei Seiten. Einerseits verbindet man Ruhm automatisch mit dem Berühmtsein, Beliebtheit, Geld und Besitz. Jemand, kann sich damit rühmen, das heisst er behauptet sich damit, besondere Eigenschaften oder Gegenstände vorzuweisen. Andererseits kann Ruhm auch das Vertrauen zwischen Personen erschweren, falls das Gegenüber nur am Ruhm des Anderen interessiert ist.
 
Die Figuren sind Schriftsteller, Internetblogger, Abteilungsleiter, Schauspieler. Sie scheinen alle einen höheren Status zu haben, vielleicht sogar für andere Vorbilder zu sein, oder sie geben durch ihren Beruf, ihre Ideen, Kreativität und die dadurch entstandenen Werke persönliche Einsichten weiter. Zu einem Vorbild wird aufgeschaut. Es wird von dieser Person nur das Gute gesehen. Es kann sogar die Lebensweise des Bewunderers beeinflussen. In der Rolle des Vorbilds fühlt man sich bestimmt nicht immer wohl. Man möchte nicht immer perfekt sein müssen, um andere nicht negativ zu beeinflussen und will deshalb seinen Status vielleicht sogar loswerden.
Ruhm ist jedoch kurzlebig. Niemand kann sich das ganze Leben mit etwas rühmen. Dafür ist die Konkurrenz zu gross, die Interessen der Gemeinschaft zu unterschiedlich und wechselhaft. Wenn sich nun jemand irgendwomit Ruhm erarbeitet, kann dieser schnell wieder verfliegen. Es kommt genauso schnell, wie es auch wieder geht. Und auf einmal steht man allein und mit leeren Händen da.
 
Ruhm kann also als unangenehm empfunden werden, so dass man ihn loswerden möchte. Andererseits ist Ruhm vielleicht auch etwas worin man sich verliebt und irgendwann nicht mehr ohne leben möchte, davon aber verlassen wird. Ich stelle mir den Roman so vor, dass neun Lebensgeschichten vorgestellt werden, von Menschen, die unterschiedlich mit ihrem Ruhm umgehen und trotzdem eine Gemeinsamkeit dabei haben. Möglicherweise geht auch ihre Zeit des Ruhms auf die gleiche Weise zu Ende.
 
Meinen Bloglink, Stimme des Ruhms, habe ich aus dem Titel des ersten Kapitels entwickelt. Als ich den ersten Titel gelesen habe, suchte ich eine Beziehung zum Buchtitel. Meine Interpretation dazu ist folgende: Ich denke, dass Ruhm einen stark beeinflussen kann. Die Möglichkeiten, die man dadurch erhält, wirken auf unseren Charakter ein. Die neuen Welten, die dann aufgehen, sind wie eine innere Stimme für uns. Und die Stimme gehört dem Ruhm.